Bei einem Widerrufsverfahren wird der Schutzstatus von Asylberechtigten, anerkannten Flüchtlingen und Menschen mit subsidiärem Schutz oder Abschiebungsverbot überprüft. Das bedeutet, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) prüft, ob jemand diesen Schutz noch immer benötigt. Widerrufsverfahren betreffen also nur Menschen, deren Asylverfahren positiv ausgegangen ist.
Nur in wenigen Fällen wird der Schutzstatus tatsächlich widerrufen. Trotzdem ist es wichtig, sich auf das Widerrufsverfahren gut vorzubereiten und sich von einer Beratungsstelle oder einer Anwaltskanzlei beraten zu lassen.
Bei einem Widerrufsverfahren wird überprüft, ob der Schutzstatus als Asylberechtige*r oder Flüchtling bzw. der subsidiäre Schutz oder das Abschiebungsverbot weiterhin nötig sind. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist für die Widerrufsverfahren zuständig. Es kann Ihren Status widerrufen, wenn die Voraussetzungen für den im Asylverfahren gewährten Schutz nicht mehr vorliegen, z.B. weil sich Ihre Situation verändert hat oder weil sich die Situation in Ihrem Herkunftsland dauerhaft verbessert hat.
Wichtig: Das Asylgesetz unterscheidet zwischen "Widerruf" und "Rücknahme" und " Erlöschen" eines Schutzstatus. Ein Rücknahmeverfahren wird eingeleitet, wenn der Schutzstatus einer Person zurückgenommen werden soll. Das kann passieren, wenn Sie im Asylverfahren falsche Angaben gemacht oder wichtige Tatsachen verschwiegen haben und das BAMF jetzt davon erfährt. Ein Erlöschen ihres Schutzstatus passiert laut BAMF nur, wenn Sie die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen oder wenn Sie auf den Schutzstatus selbst verzichten. In diesem Kapitel geht es ausschließlich um den Widerruf.
Im Grunde kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) jederzeit ein Widerrufsverfahren einleiten. Man unterscheidet hier zwischen der "gesetzlichen Regelüberprüfung" und der "anlassbezogenen Überprüfung": Der Schutzstatus von anerkannten Flüchtlingen und Asylberechtigten muss spätestens nach 3 bzw. 5 Jahren nach der Anerkennung überprüft werden. Das ist die "gesetzliche Regelüberprüfung". Der Schutzstatus von anerkannten Flüchtlinge, Asylberechtigten, Menschen mit subsidiären Schutz und Menschen mit Abschiebungsverbot kann aber auch so jederzeit überprüft werden. Das wird gemacht, wenn es dazu einen konkreten Anlass, wie z.B. eine Reise ins Herkunftsland gibt. Das nennt man "anlassbezogene Überprüfung". Mehr dazu finden Sie im nächsten Abschnitt.
Wichtig: Auch wenn Sie bereits eine Niederlassungserlaubnis haben, kann ein Widerrufsverfahren eingeleitet werden.
Hier ist zwischen zwei möglichen Gründen zu unterscheiden:
1) Die Situation in Ihrem Herkunftsland hat sich nachhaltig geändert. Das kann z.B. ein Regimewechsel sein oder eine Änderung der Gesetzgebung.
2) Ihre persönliche Situation hat sich verändert oder Ihr Verhalten gibt Anlass zu einer Überprüfung. So wird z.B. in der Regel ein Widerrufsverfahren eingeleitet:
- wenn Sie in Ihr Herkunftsland reisen.
- wenn sich Ihre Situation ändert, z.B. weil Sie jetzt volljährig sind oder weil Sie jetzt gesund sind oder weil sie jetzt einer anderen Religion angehören. In diesen Fällen muss Ihr Alter, Ihre Krankheit oder Ihre Religion aber ausschlaggebend für die positive Entscheidung Ihres Asylantrags gewesen sein.
- wenn Sie Familienasyl für Ihre nachgekommene Familie beantragen.
- wenn Sie eine Niederlassungserlaubnis oder die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen.
- wenn Sie wegen einer Straftat zu mindestens 1 Jahr Gefängnis- oder Jugendstrafe verurteilt werden.
- wenn Ihr Asylverfahren damals nur schriftlich war; Sie also kein Interview direkt beim BAMF hatten.
Für anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte gibt es außerdem zwei weitere Gründe, die in der Regel zu einem Widerrufsverfahren führen:
- wenn Sie einen neuen Pass aus Ihrem Heimatland beantragen oder Ihren alten Pass verlängern.
- wenn Sie Kontakt zu Behörden aus Ihrem Heimatland aufnehmen.
Wenn Sie anerkannter Flüchtling oder Asylberechtigte*r sind und Kontakt zur Botschaft Ihres Heimatlandes aufnehmen oder in ihr Heimatland reisen, ist dies immer ein Grund für die Überprüfung Ihres Schutzstatus. Grund dafür ist, dass Sie durch den Besuch der Botschaft oder eine Reise in Ihr Heimatland zeigen, dass Ihnen dort keine Gefahr droht. Bei einer Reise ins Heimatland gilt dies auch für Menschen mit subsidiären Schutz oder Abschiebungsverbot.
Das BAMF muss in Ihrem Widerrufsverfahren aber die Umstände Ihres Besuchs oder Ihrer Reise aber genau untersuchen: Welchen Grund gab es für den Botschaftsbesuch? Sind Sie legal oder illegal in Ihr Heimatland gereist? Welchen Grund gab es für Ihre Reise?
In der Regel fordert das BAMF Sie in einem ersten Schreiben zur Mitwirkung auf. Sie werden also z.B. aufgefordert Dokumente (z.B. Ihren Pass) oder ärztliche Atteste vorzulegen, Fingerabdrücke abzugeben, schriftlich Fragen zu beantworten oder zu einem Interview zu kommen. Diesen Aufforderungen müssen Sie folgen, wenn die vom BAMF geforderten Handlungen "erforderlich" und "zumutbar" sind. Wenn Sie den Eindruck haben, dass die von Ihnen geforderten Handlungen nicht erforderlich oder zumutbar sind, können Sie das BAMF schriftlich auffordern, die Notwendigkeit dieser Handlungen zu erklären. Wenn die von Ihnen geforderten Handlungen zumutbar und erforderlich sind und Sie dennoch nicht mitwirken, kann das BAMF eine Art Geldstrafe ("Zwangsgeld") von Ihnen fordern und dann ohne Sie über den Widerruf Ihres Schutzstatus entscheiden. Das bedeutet, dass Ihre Sicht der Lage nicht berücksichtigt wird. Sollten Sie tatsächlich aktuell an der Mitwirkung verhindert sein, müssen Sie das dem BAMF schriftlich mitteilen und nachweisen (z.B. durch ein Attest).
Es kann aber auch passieren, dass das BAMF das Widerrufsverfahren schon eingeleitet hat und Ihre Mitwirkung gar nicht nötig ist. In diesem Fall bekommen Sie einen Brief vom BAMF, der Ihnen dies mitteilt und Sie auffordert, dazu Stellung zu nehmen. Dazu haben Sie in der Regel einen Monat Zeit. Falls Sie nicht antworten, entscheidet das BAMF ohne Sie, also ohne Ihre Sicht der Dinge zu berücksichtigen.
Wichtig: Wenn Sie Originaldokumente wie z.B. Ihren Pass an das BAMF schicken, sollten sie diese vorher kopieren und die Kopie - falls möglich - auch beglaubigen lassen. Sie sollten Ihre Dokumente immer "per Einschreiben mit Rückschein" schicken. Das ist etwas teurer, aber sicherer, denn Dokumente können auf dem Postweg auch verloren gehen.
Wenn das BAMF ein Widerrufsverfahren gegen Sie einleitet, sollten Sie sofort zu einer Rechtsberatung gehen. Das kann eine Beratungsstelle oder eine Anwaltskanzlei sein. Im Abschnitt "Wo finde ich Beratung & Unterstützung?" finden Sie Adressen von Beratungsstellen und Anwaltskanzleien. Die Mitarbeiter*innen dort werden Sie dann unterstützen. Sie können aber auch bereits selbst an das BAMF schreiben und in Ihrem Schreiben "Akteneinsicht beantragen" und mitteilen, dass Sie erst nach der Akteneinsicht wieder antworten werden. Akteneinsicht bedeutet, dass Sie Zugang zu Ihrer eigenen Akte beim BAMF bekommen. In Ihrer Akte können Sie lesen, was das BAMF über Sie notiert hat. Außerdem sollten Sie bereits jetzt Beweise für weiterbestehende oder alte Asylgründe zusammentragen. Also z.B. Beweise, dass Ihre Familie im Heimatland weiter verfolgt wird oder Atteste, dass Sie noch immer krank sind bzw. neu erkrankt sind und nur in Deutschland behandelt werden können.
Lesen Sie unbedingt vor Ihrem Interview das Protokoll Ihrer Anhörung im Asylverfahren bzw. Ihre Antworten im schriftlichen Asylverfahren durch. Lesen Sie auch den Bescheid des BAMFs über Ihren Schutzstatus oder die Gerichtsentscheidung, falls Sie gegen die Entscheidung des BAMFs im Asylverfahren geklagt haben.
Es gibt keinen standardisierten Fragebogen für das Widerrufsverfahren. Oft werden aber dieselben Fragen gestellt, die auch in der Anhörung während des Asylverfahrens gestellt wurden. Mehr dazu finden Sie in unserem Kapitel "Asylverfahren".
Einige Ausländerbehörden verlängern die Aufenthaltserlaubnis während eines Widerrufsverfahrens nur mit einer Fiktionsbescheinigung. Rechtlich gesehen spricht aber nichts gegen die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis während ein Widerrufsverfahren läuft. Falls Ihre Ausländerbehörde die Verlängerung verweigert, sollten Sie sich von einer Anwaltskanzlei unterstützen lassen.
Ob Sie während des Widerrufsverfahrens eine Niederlassungserlaubnis beantragen können, hängt von Ihrem Status ab:
Anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte können während eines Widerrufsverfahrens keine "Niederlassungserlaubnis für Geflüchtete" bekommen. Das gilt allerdings nur, wenn das BAMF der Ausländerbehörde bereits mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf vorliegen.
Wenn Sie mit subsidiären Schutz oder Abschiebungsverbot eine Niederlassungserlaubnis beantragen wollen, ist dies während des Widerrufsverfahrens weiterhin möglich, da Personen mit subsidiären Schutz oder Abschiebungsverbot nur die "normale" Niederlassungserlaubnis bekommen können. Diese "normale" Niederlassungserlaubnis können auch anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte beantragen. Es gelten dann aber keine erleichterten Bedingungen.
Die privilegierte Einbürgerung für anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte ist während eines laufenden Widerrufsverfahrens nicht möglich. Eine normale Einbürgerung – also ohne kürzere Wartezeit – ist für alle Personen auch während eines Widerrufsverfahrens möglich. Mehr zum Thema Staatsbürgerschaft erfahren Sie in unserem Kapitel "Einbürgerung".
Wenn Ihr Schutzstatus widerrufen wird, bekommen Sie einen schriftlichen Bescheid. Gegen diesen Bescheid können Sie beim Verwaltungsgericht Ihres Wohnorts Klage einreichen. Dafür haben Sie 2 Wochen lang Zeit. Während das Klageverfahren läuft, bleibt Ihr Schutzstatus in der Regel gültig. Lassen Sie sich unbedingt von einer Anwaltskanzlei beraten und helfen. Anwält*innen und Beratungsstellen in Ihrer Nähe finden Sie auf unserer Seite Lokale Informationen. Geben Sie die Stadt, in der Sie leben, ein und suchen Sie nach Asyl, Aufenthaltsrecht oder Rechtsberatung. Möglicherweise können die Kosten des Verfahrens durch die Prozesskostenhilfe abgedeckt werden. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Kapitel "Prozesskostenhilfe".
Wenn Sie nicht innerhalb der zwei Wochen Klage einreichen, ist ihr Schutzstatus unwiderruflich verloren.
Wenn Ihr Schutzstatus tatsächlich widerrufen wird, wird dies auch der Ausländerbehörde mitgeteilt. Die Ausländerbehörde entscheidet dann, was mit Ihrer Aufenthaltserlaubnis passiert. In der Regel werden Sie Ihre Aufenthaltserlaubnis und Ihren Blauen bzw. Grauen Pass verlieren. Die Ausländerbehörde wird aber prüfen, ob Sie aus anderen Gründen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis oder Duldung haben, z.B. eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, eine Aufenthaltserlaubnis für gut integrierte Erwachsene / Jugendliche oder eine Ausbildungsduldung. Sie sollten Ihre Möglichkeiten auch selbst prüfen. Eine Beratungsstelle kann Ihnen dabei helfen. Auch in unseren Kapiteln "Bleiberecht für Geduldete" und "Asylantrag abgelehnt" finden Sie Informationen über verschiedene alternative Aufenthaltsformen.
Wichtig: Wenn Ihr Schutzstatus widerrufen wird und Ihre Familie über das sogenannte Familienasyl eine Aufenthaltserlaubnis bekommen hat, wird auch ihr Schutzstatus widerrufen. Es wird aber überprüft, ob ihrer Familie aus anderen Gründen ein Schutzstatus zuerkannt werden kann.
Lassen Sie sich unbedingt sofort beraten, wenn ein Widerrufsverfahren gegen Sie eingeleitet wird. Anwält*innen und Beratungsstellen in Ihrer Nähe finden Sie auf unserer Seite Lokale Informationen. Geben Sie die Stadt, in der Sie leben, ein und suchen Sie nach Asyl, Aufenthaltsrecht oder Rechtsberatung.
Das BAMF wird auch die für Sie zuständige Ausländerbehörde sowie Ihr Jobcenter bzw. Sozialamt nach Informationen über mögliche Gründe für einen Widerruf Ihres Schutzstatus fragen. Wenn also z.B. das Jobcenter von einer Reise in Ihr Herkunftsland weiß, wird dies dem BAMF mitgeteilt.
Hier finden Sie Beratungsstellen in Ihrer Nähe. Geben Sie Ihren Suchbegriff und den Ort, in dem Sie leben, auf unserer Seite Lokale Informationen ein.
Unter 069–242 314 20 können Sie sich auf Deutsch und Englisch rechtlich beraten lassen.
Beim Flüchtlingsrat Ihres Bundeslandes finden Sie Unterstützung und Beratung im Bereich Asyl- und Aufenthaltsrecht.